Die Lehnsherren
Das Ohorner Rittergut scheint schon bald nach der Gründung des Ortes entstanden zu sein. In einer Urkunde vom Jahre 1537 heißt es: „Ohorn, der Rittersitz.“ Bis zum Jahre 1712 waren die Besitzer des Rittergutes „die Herren von Pulsnitz“. Von diesem Jahre ab hatte es eigene Besitzer. Bis in die jüngste Vergangenheit waren unsere Vorfahren voll und ganz der jeweiligen Herrschaft untertan. Der „gnädige Herr“ bestimmte über ihr Wohl und Wehe. Er war durchaus nicht immer „gnädig“. Durch harte Frondienste, zahlreiche Steuern und Naturalabgaben wurden die Bauern in großer Armut gehalten. Als Gerichtsherr ahndete er oft kleine Vergehen hart und grausam.
Der erste urkundlich genannte Lehnsherr war Hans von Ponikau. Er hatte das Wasserschloß Pulsnitz mit den umliegenden Dörfern dem Kamenzer Burggrafen abgekauft, wahrscheinlich im Jahre 1425, nach ihm werden genannt: die Herren von Miltitz, Heinrich von Schleinitz, dann die Schlieben (der „alte Schlieben“ soll heute noch im Pulsnitzer Ratskeller geistern). Am 30. Januar 1587 traten die von Schönberg die Herrschaft an. Sie führten eine wahre Schreckensherrschaft. Diese war um so fühlbarer, als die Bewohner durch die 1618 einsetzenden Wirren des Dreißigjährigen Krieges schwer zu leiden hatten. Von 1637 bis 1680 wohnten die Lehnsherren auch in Ohorn. Nach den Schönbergs werden genannt: die von Werthern, die von Maxen. Die Söhne des Nikolaus von Maxen teilten sich den Besitz nach des Vaters Tode, Ohorn fiel an Karl Maximilian von Maxen, von nun an war der Rittersitz Ohorn gänzlich von Pulsnitz getrennt und hatte eigene Besitzer. Sein Sohn, Niclas von Maxen, hat Ohorn reichlich 40 Jahre lang besessen. Unter zahlreichen Guts- und Hauskäufen finden wir seine Unterschrift. Er lebte — im Gegensatz zu den früheren Herren — in gutem Einvernehmen mit den Ohornern, erließ ihnen im Siebenjährigen Kriege Zinsen und Hofedienste, gab ihnen Saatgetreide und Darlehen. Auf sein Ansuchen verwandelte der Landesherr, der Kurfürst Friedrich August der Gerechte, sein bisheriges Lehen in erbliches Besitztum. Zwei Jahre später (1774) wurde auch Böhmisch-Ohorn in erblichen Besitz umgewandelt. Niclas von Maxen verkaufte kurz darauf seinen Besitz an seinen Schwiegersohn Wilhelm von Carlowitz für 20 000 Taler. 1785 verkaufte von Carlowitz den Besitz für 30 000 Taler weiter an Gottlieb Wilhelm von Breßler. Es wird diesem neuen Herrn nicht schwer gefallen sein, den verhältnismäßig hohen Kaufpreis zu zahlen, er besaß bereits 36 Güter. In die Herrschaftszeit des Herrn von Breßler fallen die Ohorner Bauernunruhen, über die an anderer Stelle berichtet wird. Seine dritte Tochter, die Gräfin Solms-Teklenburg, erbte Ohorn und verkaufte es im Jahre 1828 an den Pulsnitzer Kaufmann Friedrich August Hempel. Hempel mußte nun schon 81 050 Taler bezahlen. Der neue Besitzer nahm am 7. Januar 1828 „die Huldigung seiner Untertanen an“. Interessant ist, daß wir unter dem Protokoll, das alle unterschreiben mußten, mehrfach drei Kreuze finden, ein Zeichen dafür, daß damals noch nicht alle Ohorner die schwere Kunst des Schreibens beherrschten.
Hempels Sohn Guido Hempel kaufte aus dem Nachlaß das Ohorner Gut für nunmehr 110 000 Taler. Er starb 1885. Unsere ältesten Einwohner können sich noch seiner erinnern. Von 1895 bis 1904 war Besitzer des Rittergutes Eduard Georg Hempel. Im Herbst 1904 verstarben innerhalb von 6 Wochen Vater, Mutter und einziger Sohn, die überlebende einzige Tochter Maria starb vier Jahre später, damit war die ganze Familie ausgestorben. Erben waren Oberst Ehregott Hempel und Doris Hempel. Von 1925 bis zu ihrem Tode im Jahre 1939 war die „Doris“ alleinige Besitzerin. Jeder ältere Ohorner hat sie gekannt. Vom Nimbus der „Gnädigen Herrschaft“ war nichts mehr übrig. Das Gut war verpachtet, ihren großen Waldbesitz verkaufte sie für 300 000 Mark an einen Oberfrohnaer Strumpffabrikanten. Sie starb kurz vor ihrem 81. Geburtstage. Ihre Erben waren Professor Dr. phil. Eberhard Hempel und Elisabeth Hempel. Das Gut blieb weiterhin verpachtet. Durch die Bodenreform 1945 wurden die derzeitigen Besitzer enteignet. Das Gut ging in den Besitz des Volkes über.